Doch nicht rischtich, oder was?

Vor kurzem ging es durch die Presse: Eine neue Studie besagt, dass „Lesen durch Schreiben“ nicht die beste Schreiblern-Methode für Kinder sei. Mit dieser Methode würden Kinder nicht befähigt die korrekte Rechtschreibung zu lernen. Laut dieser Studie, die übrigens noch gar nicht veröffentlicht wurde, sei die Fibel-Lehre die optimale Lehre.

Viele Eltern sind verständlicherweise verunsichert und sprechen uns hierzu an. Das möchten wir zum Anlass nehmen, zu erklären, warum wir glauben, dass „Lesen durch Schreiben“ durchaus als erste (aber niemals als alleinige) Schreiblernmethode geeignet ist, und wie wir genau vorgehen.

Grundsätzlich gilt für uns dieser Lehrplan:

„Schülerinnen und Schüler lernen das Schreiben und Rechtschreiben in einem aktiven, durch Beispiel, Reflexion und Anleitung unterstützten Prozess. Auf der Grundlage der Laut-Buchstaben-Zuordnung erwerben sie Einsichten in die Besonderheiten der deutschen Rechtschreibung. Durch den vielfältigen Umgang mit Wörtern, durch Vergleichen, Nachschlagen (Wörterbücher) und Anwenden von Regeln erwerben sie Rechtschreibstrategien, mit deren Hilfe sie Gesprochenes und Gedachtes verschriftlichen. Über verschiedene Arbeitstechniken entwickeln sie ein Rechtschreibgespür und übernehmen Verantwortung für eigene Texte.“
(Auszug aus dem Lehrplan für Grundschulen des Landes NRW).

„Lesen durch Schreiben“-Konzept ist eingebettet in vielfältige Rechtschreibaktivitäten

Durch die Methode „Lesen durch Schreiben“ wird den Kindern sehr schnell ermöglicht, sich in Worten auszudrücken, Sätze zu formulieren und dadurch Erfolge zu erzielen. Unsere Schülerinnen und Schüler werden ermutigt, sich auszuprobieren und ihr Gehör ganz gezielt zu zur Worterkennung zu einzusetzen. Dies funktioniert selbstverständlich nur bis zu einem gewissen Grad, denn es gibt unzählige Wörter, die anders geschrieben werden, als man sie hört. Bei uns heißen diese Wörter „Lernwörter“. Ab einem gewissen Zeitpunkt (abhängig vom Leistungsstand des Kindes) ist es wichtig, das Kind auf die korrekte Schreibweise hinzuweisen. So lassen wir es wissen: „Ich kann verstehen, was Du schreibst. In der Erwachsenenschrift wird das aber anders geschrieben. Denn in der Erwachsenenschrift gibt es fest verabredete Schreibweisen für Wörter und diese wollen wir lernen.“ Die „Erwachsenenschrift“ wird der „Kinderschrift“ plakativ gegenübergestellt. Das geschieht schrittweise, angepasst an den Leistungsstand des Kindes.

Bei uns werden bereits im ersten Schuljahr erste Rechtschreibmuster gelehrt. Anbei einige Beispiele:

  • Zebra-Heft: Schon früh werden erste Rechtschreibmuster geübt, wie -er -el -en (diese kann man nicht hören!)
  • Ableitung von der Einzahl zur Mehrzahl: ein Apfel => Äpfel / Traum => Träume
  • Lernbox: Eine Kartei mit Lernwörtern; diese Lernwörter werden nach einem bestimmten Prinzip eingeprägt und abgeschrieben
  • Harter Brocken des Tages: Mindestens einmal in der Woche wird sich ein „harter Brocken des Tages vorgenommen, die Schreibweise eines besonders schweren Wortes (wie z.B. Gesangslehrerin oder Geburtstagspäckchen) wird gemeinsam besprochen
  • Mitsprechwörter, Nachdenkwörter, Merkwörter (langes i = ie => Merkwörter: Tiger, Maschine, Apfelsine…) werden besprochen


Lernstrategien Zebra 1/2

Außerdem gilt: Richtiges Schreiben braucht viel Lesen.

Je öfter man Worte liest, desto besser prägen sie sich ein. Deshalb ermuntern wir unsere Schülerinnen und Schüler schon ab Klasse 1 zu lesen; durch feste Lesestunden mit vielfältigen Lesetexten für jeden Leistungsstand. Und: Wir schaffen Anreize selbst lesen zu wollen. So entdecken die Kinder im „offenen Vorlesen“ vielleicht ein Buch, bei dem sie unbedingt selbst lesen möchten, wie die Geschichte weitergeht, oder sie sind ambitioniert beim nächsten Hubi-Tag einen Lese-Preis abzuräumen. Eine wichtige Rolle spielt dabei unsere Bücherei: Hier können die Kinder sich kostenlos jede Menge Lesestoff ausleihen.

Jedes Kind durchläuft verschiedene Stadien

Näu oder noi oder neu? Am Anfang des Schreiblernprozesses – wenn das Kind schreibt, was es hört – baut das Kind jedes Mal ein Wort neu auf. Es ist das sogenannte „rudimentäre Schreiben“. Alle Kinder durchlaufen diese Phase, manche sogar schon im Kindergarten. Ein Wort innerhalb eines Satzes kann durchaus mehrere Schreibweisen haben. Das Wort wird im Schreibprozess immer wieder neu entdeckt. Im Laufe der Zeit werden Laute immer besser wahrgenommen und Buchstaben werden immer besser Lauten zugeordnet. Die Schreibweise jedoch wird sich in diesem Stadium nicht eingeprägt.

Erst wenn das Stadium der lautgerechten Schreibeweise gefestigt ist, werden Rechtschreibmuster gelehrt. Denn erst dann profitieren die Kinder davon. Eine zu frühe Kombination der Methoden würde zu absoluter Verunsicherung und zu Unverständnis führen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen? Dann ist von Kind zu Kind unterschiedlich. So kann Lea in unserem Beispiel erst in der Mitte der Klasse 2 das Wort Blätter komplett lautgerecht „Bleta“ schreiben. Tom konnte das bereits in der Mitte der 1. Klasse. Am Ende der ersten Klasse konnte er schon das erste Rechtschreibmuster „-er“ richtig anwenden; Lea war auf diesem Leistungsstand in der Mitte der dritten Klasse.

 
Zitat einer besorgten Mutter: „Mein Kind schreibt manche Wörter in der 7. Klasse immer noch oder immer wieder falsch.“

Ja, das kommt nicht nur bei den Kindern vor. 🙂 Hand aufs Herz: Die deutsche Rechtschreibung hat ihre Tücken und lässt sich nicht immer logisch erklären. Wir alle haben Wörter, die wir nachschlagen müssen. Oder es kommt mal vor, dass Wörter falsch geschrieben werden – egal ob von Kindern oder Erwachsenen. Woran liegt das? An der Schreiblern-Methode? An der letzten Rechtschreibreform? Oder gegebenenfalls auch an der Mundart? Die Gründe können hier vielfältig sein.

Also doch richtig, oder was?

Wie mit so vielen Dingen, liegt auch dies im Blickwinkel des Betrachters. Der deutsche Grundschulverband war jedenfalls genauso erschrocken wie wir über die pauschalen Aussagen, die als Essenz aus der Studie getroffen wurden: Stellungnahme des deutschen Grundschulverbandes

Die Studie wurde bisher noch nicht veröffentlicht. Es bleibt daher abzuwarten, wie sie durchgeführt wurde, und ob und wie darin berücksichtigt wurde, dass „Lesen durch Schreiben“ in der Praxis üblicherweise nicht als alleinige Lernmethode eingesetzt wird, sondern eingebettet in vielfältige Rechtschreibaktivitäten.

Wir hoffen, dass Ihnen der Artikel noch einen tieferen Einblick in unsere Arbeitsweise gegeben hat und wir Unsicherheiten beseitigen konnten. Falls Sie noch mehr Fragen zu dem Thema haben, sprechen Sie uns gerne an.